Warum die NaturFreunde eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit fordern
Als im Jahr 1847 die „Berliner gemeinnützigen Baugesellschaft“ gegründet wurde, zog die Idee einer gemeinwohlorientierten Wirtschaftsweise in der Wohnwirtschaft ein. Seitdem hat sie viele Spuren in unseren Städten hinterlassen. Bekannte Beispiele dafür sind die Hufeisensiedlung in Berlin oder der Münchner Stadtteil Neuperlach.
Fünf Grundsätze waren dabei zentral für gemeinnützige Wohnungsunternehmen: Kostendeckungsmiete, begrenzte Gewinnausschüttung, Reinvestition der übrigen Gewinne, Zielgruppenbeschränkung auf Haushalte mit niedrigem Einkommen sowie Bereitstellung sozialer Infrastruktur. Als Entschädigung für diese Verpflichtungen wurden sie von vielen Steuern und Gebühren befreit sowie durch Zuschüsse und Kredite gefördert.
In der Zeit von 1949 bis 1989 konnten gemeinnützige Wohnungsunternehmen so mehr als 4,8 Millionen Wohnungen errichten – ungefähr ein Viertel der 19 Millionen in diesem Zeitraum gebauten Wohnungen. Vor allem in den 1950er-Jahren trugen sie mit teilweise mehr als 40 Prozent des jährlichen Neubauvolumens maßgeblich zur Beseitigung der Wohnungsnot bei.
Natürlich unterschied sich die Wohnungsknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich von der heutigen Wohnungsnot in den Städten. Während es damals nicht genügend Wohnungen in absoluten Zahlen gab, ist die heutige Wohnungsnot vor allem Ausdruck einer Verteilungsproblematik.
In den letzten Jahrzehnten haben Wirtschaftsministerien und Raumplanung vor allem zentrale Orte gefördert – hier entstanden auch die Arbeitsplätze – und die Infrastruktur in ländlichen Räumen vernachlässigt. Wohnungsneubau kann diese Fehlentwicklung nur begrenzt ausgleichen. Er ist in Bezug auf den Flächen- und Ressourcenverbrauch zudem ökologisch fragwürdig und schließlich sind die Neubaukosten häufig zu hoch, als dass sie preisdämpfend wirken könnten. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Fragen, wie im Wohnungsbestand eine angemessene Preisentwicklung erreicht werden kann und die Exzesse in den Metropolen beendet werden können.
Vermutlich wären die Probleme heute kleiner, wenn das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz nicht mit der Steuerreform im Jahr 1990 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung aufgehoben worden wäre. Denn die heute beklagten Verkäufe kommunaler Wohnungsbestände in den 1990er- und 2000er-Jahren sind erst durch die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Öffnung der Bestände für private Renditeinteressen möglich geworden.
Damit das Grundbedürfnis Wohnen wieder langfristig und umfassend den Renditeinteressen des Marktes entzogen wird, schlagen Grüne und Linke eine Wiederbelebung der Wohnungsgemeinnützigkeit vor. Dabei sollen die Fehler der Vergangenheit vermieden werden. Durch eine geplante regionale Tätigkeitsbeschränkung wäre beispielsweise die Entstehung eines Kolosses wie der ehemaligen Neuen Heimat nicht möglich.
In Kombination mit der Vergesellschaftung von Wohnraum könnte eine Bestandsbindung zur Verlangsamung der Preisspirale beitragen. Dann nämlich können gemeinnützige Wohnungsbestände nur an andere gemeinnützige Wohnungsunternehmen weiterverkauft werden und die niedrige Miete mit der sozialen Bindung bleibt erhalten. Auch ist diese zeitlich nicht beschränkt.
CDU, FDP und AfD haben sich schon gegen eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit positioniert. Bei der SPD ist die Entscheidung noch offen. Sicher ist: Das Thema Wohnen wird im Wahlkampf zur Bundestagswahl im September eine Rolle spielen. Und die Wohnungsgemeinnützigkeit könnte dann ein verbindendes Element zwischen Linken, Grünen und SPD werden.
Wir NaturFreunde haben unsere Position dazu schon gefunden: Der Bundesausschuss hat im April 2020 mit dem Antrag „Bestehende Wohnrechte anwenden – Wohnen als Verfassungsrecht stärken“ ein umfassendes Papier zum Thema Wohnen beschlossen. Neben einer Rekommunalisierung von Wohnraum und der Befürwortung eines Mietendeckels wurde auch die Wohnungsgemeinnützigkeit zu einer Verbandsposition der NaturFreunde erhoben.
Lukas Lindemann
NaturFreunde-Beschluss www.naturfreunde.de/wohnen-als-verfassungsrecht